Auch die NPD darf demonstrieren. Oder?
So, jetzt bin ich mal neugierig, ob ich hier als Nazifreund abgestempelt werde. Für den morgigen Samstag plant die NPD eine Demonstration durch Berlin und mich plagt ein großes Unbehagen bei der Vorstellung, dass selbsternannte Wächter der Demokratie in der Stadt bestimmen, wer das Demonstrationsrecht wahrnehmen darf und wer nicht.
Politiker der Grünen und der Linken mahnen Polizei und andere Behörden, die Routen der Neonazi-Aufmärsche frühzeitig genug bekannt zu geben, so dass sie ihre Massen mobilisieren können, die sich quer stellen, mithin das Demonstrationsrecht anderer außer Kraft setzen. Aus eigenen Stücken, ohne irgend ein Mandat – außer dem guten Gefühl etwas gegen Nazis zu tun, für die bestimmte Grundrechte einfach nicht gelten. Grüne wie Linke und andere Neonazigegner haben dies jetzt in einem offenen Brief an Berlins Innensenator Henkel unterstrichen.
Natürlich lautet die Begründung in dem Schreiben anders, es ist nicht die Rede davon, sich quer zu stellen, Grundrechte außer Kraft setzen zu wollen. Jeder, der offizielle Äußerungen aus diesen Parteien bei vergangenen NPD-Aufmärschen in Erinnerung hat, weiß dennoch, worum es in Wahrheit geht: Den Rechten den (Demonstrations-)Weg abzuschneiden. Und das geht nicht, jedenfalls nicht so lange die NPD nicht verboten ist (wogegen ich übrigens nichts hätte, wenn ein entsprechender Vorstoß denn nur gelingen würde), auch wenn dies inzwischen zum guten Ton im Lande gehört, und sich bemerkenswerterweise kaum jemand traut, dieses Außerkraftsetzen von Grundrechten offen in Frage zu stellen.
Es geht übrigens genauso wenig wie die ersatzweisen Begründungen, die in jenem offenen Brief von Ströbele und seinen drei Gleichgesinnten angeführt werden: Wenn es dort nämlich heißt, die Öffentlichkeit müsse sich schließlich darauf einstellen, wo es knallen
könnte in der Stadt, wo wer zu schützen sei, wo es zu Außeinandersetzungen kommen könne. Als ob die Bürger Berlins selbst dafür zu sorgen hätten, als gute Bürgerwehr quasi gegen die Neonazis. Es ist Aufgabe der Polizei, die Stadt vor der NPD zu schützen, die NPD-Angehörigen übrigens aber auch vor denen, die sie in den ihnen zustehenden Rechten beschneiden wollen. Natürlich gibt es sensible Orte, an denen es brisant werden könnte. An Flüchtlingsheimen sollte die Route tunlichst nicht vorbei führen dürfen. Es kann aber ein Staatsverständnis nicht angehen, nach dem es Aufgabe der Linken (oder meinetwegen auch der Bürger) sei, die Asylbewerber bei NPD-Demonstrationen zu schützen. Es ist Aufgabe der Innenbehörde, gerichtsfeste Auflagen für die NPD-Demonstration zu erteilen, die solche Konfrontationen ausschließen. Das kann und muss allerdings auch für die Gegendemonstrationen gelten.
“Deutsche Polizisten schützen die Faschisten” – es tut mir Leid, aber diese sattsam bekannte Parole geht als Vorwurf volkommen ins Leere, wenn die Faschisten ihre Grundrechte wahrnehmen. Sie zu beschneiden ist nicht Sache der Straße. Was wäre denn die Alternative? Sie schutzlos jedem auszuliefern jedem Gewaltbereiten, der aus eigenen Stücken meint, selbst zwischen Gut und Böse unterschieden zu können und das Ganze als Zivilcourage verbrämt, der selbst entscheidet, wer rechts ist und wer nicht, vielleicht noch per Mehrheitsentscheidung in sozialen Netzwerken?
Zivilcourage in allen Ehren, aber wir befinden uns nicht in einer Notstandssituation, an der die Zivilcourage die Stelle des staatlichen Gewaltmonopols einnehmen muss. Auch wenn manch einer davon träumt, von so einer Notstandssituaiton.